In vielen Lebenshilfe-Büchern wird das Verzeihen empfohlen. Es heißt, innerer Frieden tritt nur dann ein, wenn kein Groll gegen andere Menschen mehr vorhanden ist. Wut und Zorn sind in der Tat Gefühle, die von innen auffressen. Der Leidtragende ist dann nicht der, der für die Missstimmung verantwortlich ist, denn der ist sich seiner Schuld vielleicht gar nicht bewusst. Vielmehr ist das Opfer die Person, die sich mit Wut und Rachegedanken selber schadet. Ärger verhindert letztendlich Harmonie und Freude, die für das eigene Wohlbefinden dringend notwendig sind.
Verzeihen und Vergessen
Vergeben gelingt ziemlich einfach, wenn eine Diskrepanz angesprochen wird, sich der Auslöser des Streites einsichtig zeigt und er sein Verhalten danach entsprechend ändert. Bei einer für beide Seiten zufriedenstellenden Unterhaltung wird nichts unter den Teppich gekehrt und ein unangenehmer Nachgeschmack verschwindet von selbst. Vielleicht existieren sogar Gründe, die zu dem Fehlverhalten führten, die aus einer anderen Perspektive betrachtet sogar verständlich erscheinen. Manches Verhalten anderer Menschen verliert vielleicht sehr schnell an Relevanz. Aufgrund der Bedeutungslosigkeit entpuppt sich Verzeihen und Vergessen dann als beste Option. Was aber ist, wenn sich jemand immer wieder daneben benimmt oder provoziert und bezüglich seines Verhaltens extrem starrköpfig zeigt?
Distanz vereinfacht das Verzeihen
Das Vergeben eines uneinsichtigen Menschen, der immer wieder für Missstimmung sorgt, gestaltet sich dann doch nicht ganz so einfach. Liegt das negativ belastete Geschehen in der Vergangenheit und die Person, die dafür die Verantwortung trägt, ist nicht mehr greifbar, mag das Verzeihen noch relativ leicht gelingen. In diesem Fall lässt sich ein endgültiger Schlussstrich ziehen, der ein Loslassen ermöglicht und Ruhe beschert. Das ist der Fall, wenn die Person, die den Schmerz zugefügt hat, verstorben, weit weggezogen oder auf eine andere Weise aus dem Gesichtsfeld verschwunden ist. Nicht zu verzeihen würde auch hier bedeuten, dass die Wut auf Dauer bestehen bleibt. Dadurch gibt es keine Möglichkeit, die Vergangenheit loszulassen, was die Gegenwart behindert. Ist ein zeitlicher Abstand seit dem Vergehen vorhanden, gelingt das Verzeihen in der Regel einfacher, so dass die Vergangenheit aus den Gedanken verschwindet und das Heute und Jetzt in den Vordergrund tritt. Viel schwieriger wird es jedoch, wenn eine Person aus dem nahen Umfeld immer wieder für Groll und Ärger sorgt. Wie sieht es dann mit dem Verzeihen aus?
Der Unterschied zwischen Vergeben und Akzeptanz
Jemandem verzeihen heißt nicht automatisch, mit den Handlungen oder den Äußerungen einer anderen Person einverstanden zu sein oder sie sogar gut zu heißen. Ein solches Verhalten wäre mit einem sich Kleinmachen vergleichbar und die andere Person erhält dadurch eine Macht, die ihr nicht zusteht. Ein Verzeihen, das den Seelenfrieden zurückbringt, heißt nicht, den anderen einfach gewähren zu lassen, nur damit Ruhe und Frieden herrscht. Der Groll wäre sicherlich, zumindest im Unterbewusstsein, noch immer vorhanden. Auch beim Vergeben nimmt das Setzen von Grenzen eine wichtige Rolle ein. Fehlverhalten sollte deshalb niemals nur des lieben Friedens Willen akzeptiert werden. Eine Rückmeldung bezüglich der hervorgerufenen Verstimmung ist deshalb durchaus sinnvoll. Ist dies aus irgendwelchen Gründen nicht möglich, hilft eventuell die räumliche Distanz, die mittels Rückzug herbeigeführt werden kann. Nur eines darf niemals eintreten: Eine permanent existierende Verbitterung, die den angenehmen Dingen des Lebens keinen Platz mehr einräumt.