Sich von emotionaler Erpressung lösen

Der Weg zu einem eigenbestimmten Leben ist alles andere als einfach, aber durchaus realisierbar. Nur wer seine Schuldgefühle, seine Angst und sein schlechtes Gewissen zum Schweigen bringen kann, wird es schaffen.

Wann genau fängt emotionale Erpressung an?

Mit Selbstmord zu drohen, sollte sich ein Mitmensch nicht so verhalten wie gewüscht, ist die wohl krasseste Art der emotionalen Erpressung, aber wahrscheinlich die wirkungsvollste. Liebesentzug ist ebenfalls sehr effektiv, dazu gehört auch tagelanges Schweigen und Eingeschnapptsein. Manche haben sich auf Tränen spezialisiert, jederzeit bei Bedarf abrufbar. Andere setzen den gewissen Gesichtsausdruck auf, der auch ohne Worte mitteilt, dass irgend etwas nicht passt. Jedes Verhalten in dieser oder ähnlicher Form ist schlichtweg emotionale Erpressung. Sehr hellhörig sollte man werden, wenn nachstehende Aussagen gemacht werden:

  • Das ist Deine Pflicht. (Laut welchem Vertrag?)
  • Das gehört sich so. (Wer bestimmt das?)
  • Was sagen denn die Nachbarn? (Sollen sie doch sagen was sie wollen.)
  • Wenn Du nicht ……. machst, dann…….. (Auf Drohungen muss man nicht reagieren.)
  • Was ich schon alles für Dich getan habe. (Was man tut, tut man aus Liebe oder gar nicht.)
  • Ich meine es doch nur gut. (Etwas gut meinen ist das Gegenteil von gut.)

In Klammern stehen die Gedanken oder Worte, die einem „normalen“ Menschen dazu einfallen würden, einer der nicht auf emotionale Erpressung reagiert. Wer dagegen fast zwanghaft auf die Forderungen eingehen möchte, nur damit sein schlechtes Gewissen befriedigt wird, ist in der Tat emotional erpressbar und hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in der Vergangenheit bereits auf emotionale Erpressung reagiert und zwar so, wie der Gegenüber sich das vorstellt. Höchste Zeit, diese Kette aus Abhängigkeit und Manipulation zu durchbrechen. Das Schlimme daran ist, dass sich die Forderungen mit der Zeit steigern, wird so agiert, wie gewünscht. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist das rigorose auf die Bremse treten. „STOP – bis hier hin und keinen einzigen Schritt weiter.“ Es gibt keine andere Lösung.

Immer dann, wenn jemand etwas haben möchte, das ein flaues Gefühl im Magen erzeugt, ist Vorsicht geboten. Das Bauchgefühl ist viel sensibler als der Verstand, nur lässt man den Bauch so selten zu Wort kommen. Hört man ihn „nein – ich will nicht“ sagen , sollte dies der Mund einfach wiederholen. Bestehen zwischenmenschliche Beziehungen aus Respekt und Toleranz, dürfte es damit auch kein Problem geben. Außerdem ist jegliches Einmischen in die Angelegenheit von anderen anmaßend. Klar, können auch mal Vorschläge gemacht werden. Stoßen diese aber auf Ablehnung, hat es sich erledigt. Jeder hat das Recht auf eigene Entscheidungen und kann sein Leben so gestalten, wie es ihm behagt, das sei hier noch einmal in aller Deutlichkeit gesagt. Wer damit nicht einverstanden ist, der hat ein Problem, aber genau das sollte uns nicht stören, denn es ist nicht unseres. Das heisst natürlich auch, dass wir uns ebenfalls aus den Entscheidungen unser Mitmenschen heraushalten sollten. Es kann auch absolut nicht sein, dass ganz einfach für andere mitentschieden wird. Sagt jemand einfach über unseren Kopf hinweg etwas zu, ist das für uns nicht verbindlich. Gibt es beleidigte Gesichter sind wir auch nicht schuld. Man hätte vorher fragen müssen, schon aus Höflichkeit. Wer hier keine Akzeptanz zeigt, agiert mit emotionaler Erpressung.

Ganz typisch ist die Aussage: „Ich habe es doch nur gut gemeint.“ Auffallend, dass diese Worte meist kommen, wenn der Konflikt bereits in vollem Gange ist. Diese Phrase ist somit oftmals die Ausrede für ein Tun, für das vorher keine Erlaubnis eingeholt wurde. Wie wäre es mit nicht gut meinen und dafür vorher zu fragen, ob etwas wirklich genehm ist? So gibt es keine Streitigkeit, vorausgesetzt, es wird auch ein „nein“ akzeptiert.

Hermann Hesse war ein großer Freidenker seiner Zeit. Deshalb hier sein berühmtes Zitat:

„Alle Dinge, die man gegen sein Gefühl und gegen sein inneres Wissen tut, anderen zuliebe, sind nicht gut und müssen früher oder später teuer bezahlt werden.“
Hermann Hesse, Dichter und Maler
Quellenangabe: Hesse Hermann aus dem Buch „Eigensinn macht Spaß“, Suhrkamp Verlag Frankfurt am Main, Erscheinungsdatum 1986, Seite 99.

Leider wird einem der wahre Inhalt dieser Worte oft erst bewusst, wenn es schon längst zu spät ist.

Wer nicht mehr auf emotionale Erpessung hereinfällt, wird sehr bald den Vorwurf hören, egoistisch zu sein. Die passende Antwort könnte lauten: „Wie egoistisch ist es, über andere bestimmen zu wollen?“ Es ist wirklich an der Zeit, dass es einem egal wird, wie jemand reagiert, wenn er seinen Willen nicht bekommt. Zum Üben: ES IST MIR EGAL – ES IST MIR EGAL – ES IST MIR EGAL

Wie wäre es, sich nur noch mit Menschen zu umgeben, die einem gut tun? Ein traumhafter Gedanke, oder? Zumindest eine Zeit lang, nur zum Austesten, vielleicht wird es ja zur Gewohnheit. Auch die Orte, an denen man sich besonders wohl fühlt, tragen erheblich zur Gesundung bei. Das schlechte Gewissen bleibt außen vor. Jeder darf auch mal egoistisch sein.

Emotionale Epressung ist häufig die Basis für Depressionen bzw. für depressive Verstimmungen. Wie sich im Laufe der Zeit eine Depression entwickeln kann, wird im Buch »Sie haben es doch gut gemeint«: Depression und Familie (=Affiliatelink zu Amazon) sehr gut beschrieben. Hilfestellung aus einer depressiven Phase erteilen die Bücher »Jetzt geht es um mich«: Die Depression besiegen – Anleitung zur Selbsthilfe und »Endlich frei«: Schritte aus der Depression (Beltz Taschenbuch) (= Affiliatelinks zu Amazon).