Zu Zeiten unserer Großmütter mag tagelanges Schweigen und Beleidigtsein noch zum Erfolg geführt haben, weil damals die Kinder noch viel höriger waren als heute. In der jetzigen Zeit bringt ein solches Verhalten sehr oft das Gegenteil von dem mit sich, was eigentlich beabsichtigt war. Wer meint, mit Schweigen seine Ziele durchsetzen zu können, muss sich nicht wundern, wenn er immer mehr vereinsamt.
Was soll Schweigen eigentlich bezwecken? Aus der Nähe betrachtet, dient es lediglich dazu, anderen ein schlechtes Gewissen einzureden. „Du hast Dich falsch verhalten und deshalb bin ich nun beleidigt und rede nicht mehr mit Dir.“, lautet die nonverbale Mitteilung in Worte gefasst. Man könnte somit auch von einer Strafe sprechen. Statt eine Aussprache zu suchen und damit eine Klärung des Sachverhaltes zu erreichen, wird lieber geschwiegen und der andere für sein Fehlverhalten bestraft. Ob es sich dabei tatsächlich um ein falsches Verhalten oder lediglich um ein Nichtbeachten von äußerst egoistischen Forderungen ging, sei dahin gestellt. Eine offene Aussprache würde die Sachlage klären, hätte aber eine direkte Konfrontation zur Folge, die ja eigentlich gar nicht erwünscht ist. Um offene Aussprachen zu umgehen, bietet sich das Schweigen geradezu an. Probleme lassen sich auf diese Art und Weise aber leider nicht lösen. Es wird im wahrsten Sinne des Wortes alles totgeschwiegen.
Früher mögen tatsächlich die Betroffenen, zumeist waren es die Kinder, auch wenn sie schon lange erwachsen waren, sich aus dem projizierten schlechten Gewissen heraus vielmals entschuldigt haben, nur damit das nicht auszuhaltende Schweigen als emotionale Erpressung endlich beendet wurde. Heute lassen sich die Menschen aber nicht mehr so einfach erpressen, vor allem dann nicht, wenn sie sich keiner Schuld bewusst sind. Vielmehr hat dann das Schweigen ein Schweigen zur Folge gemäß dem Motto: „Ok, wenn Du nicht mit mir sprechen willst, dann lass es halt.“ Eigentlich wäre eine solche Denkweise sogar die normale Verhaltensweise. Ist der Schweigende lernfähig, wird er merken, dass er mit Schweigen als emotionale Erpressung nicht weiterkommt und auch nicht das erreicht, was er ereichen möchte, nämlich dass die anderen nach seiner Pfeife tanzen. Gibt es diesen Lerneffekt aber nicht, gehen immer mehr Menschen auf Distanz, so dass Schweigen lediglich Einsamkeit zur Folge hat. Das sollte sich jeder vor Augen führen, der ebenfalls gerne seine Mitmenschen mit tagelangem Schweigen bestraft.
siehe auch die Seiten: Emotionale Erpessung erkennen, Emotionale Erpressung verstehen und sich von emotionaler Epressung lösen.